Joachim Breitner

Die Taxitür und ich

Published 2016-10-20 in sections Deutsch, Philadelphia.

Hier in Philadelphia radele ich täglich von meiner Wohnung in der Baltimore Avenue zur Uni. Praktische alle Straßen, die ich dabei nehme, haben einen explizit markierten Fahrradstreifen, so dass das im Großen und Ganzen gut geht. Aber halt nicht immer…

Die Türe öffnet sich

Ich fuhr also gerade die leicht abschüssige Spruce Street hinab, als in etwa hier ein Taxi vor mir nach rechts ausschert und den halben Fahrradstreifen blockiert. Gerade als ich an ihm vorbeifahren wollten, macht der Passagier die hintere rechte Türe auf und blockiert meinen Weg.

Ich konnte wohl noch etwas, aber nicht vollständig abbremsen. Mein Vorderrad muss noch zur Hälfte rechts an der Türe vorbeigekommen sein, bevor ich von der Kante der Türe endgültig gestoppt wurde.

Das Taxi verschwindet

Der Passagier stieg aus, erkundigte sich knapp nach meinem Wohlergehen. Nach einem schnellen Check entdeckte ich nur eine Schramme unter der linken Brust und eine Delle am linken Bremshebel, aber sonst schien alles in Ordnung und das Fahrrad sah auch gut aus. Ich sagte „I’m ok“ und er verschwand.

Der Taxifahrer machte keine Anstalten auszusteigen oder sich nach mir zu erkundigen. Entweder er war eine Weile unschlüssig und wartete ob ich mich melde, oder hat das gar nicht mitbekommen. Ich wusste nicht recht was zu tun ist und habe den Taxifahrer nicht konfrontiert (was hätte ich auch sagen sollen?), aber ich hab ein Photo von seine Nummernschild gemacht, während sich das Taxi nach ein paar Momenten (vielleicht einer halben Minute?) von dannen fuhr.

Die Uniformierten helfen

Ein Security-Mensch des Krankenhauses, vor dem sich das zugetragen hat und wohl das meiste gesehen hat, wollte wissen wie es mir geht. Ich entdeckte noch weitere Schrammen am linken Oberarm, aber nichts weiter. Alle Rippen fest am Platz, Atmen normal möglich.

Er fragte, ob er die Polizei rufen soll. Ich zögerte und druckste herum – es schien ja nichts kaputt zu sein, weder an mir noch am Fahrrad, also was soll der Terz? – aber druckste wohl zu lange, denn er sprach irgendwas in sein Funkgerät und wenige Minuten später war eine Polizistin (selbst auch per Rad unterwegs) da.

Die ausgesprochen freundliche Vertreterin der Uni-eigenen Polizei nahm meine Personalien auf und ließ sich den Tathergang beschreiben. Sie bestärkte mich darin, einen Bericht zu erstatten: Der Taxifahrer hat sich klar falsch verhalten (die Fahrradspur missachtet, nicht auf Radfahrer geachtet, weggefahren ohne zu sich zu kümmern). Sie trieb auch einen Zeugen auf, der in seinem Wagen auf dem Parkstreifen direkt hinter der Unfallstelle saß und meinen Bericht bestätigen konnte.

So hab ich jetzt eine Berichtnummer und eine Telefonnummer wo ich mich melden kann falls sich noch etwas ändert. Wenn ich innerhalb von 24 Stunden noch etwas entdecke, was kaputt ist (was ja nicht unwahrscheinlich ist, sobald das Adrenalin weg ist), wird das noch dem Unfall zugeordnet. Aber es scheint tatsächlich nicht mehr kaputt zu sein.

Nachbemerkungen

Meine Kollegen sagen, dass man hier sehr vorsichtig Fahrrad fahren muss. Manche nutzen die Fahrradspur nicht, sondern fahren immer mittig auf einer Autospur. Und nur weil Taxifahrer berufsmäßige Autofahrer sind, heißt das nicht, dass sie auch professionell fahren…

Das ist ja auch alles richtig, und ich weiß natürlich, dass ich als Radfahrer hier ein erhöhtes Risiko eingehe. Trotzdem halte ich es es für gerechtfertigt, auch wenn ich den Crash vielleicht bei anderer Fahrweise vermeiden hätte können, mir an diesem Crash keine Schuld zuzuweisen.

Und vielleicht hat die Geschichte den Effekt dass zumindest ein Taxifahrer hier in Zukunft besser auf die Fahrradspur aufpasst.

Comments

That was a close call! It’s good that you at least had a chance to brake partially. I was doored years ago under similar circumstances in Columbia, South Carolina—cruising down a sloping Senate Street, a block away from the University of South Carolina. My whole body flew over the handlebars and head-first onto the pavement. Fortunately, I at least managed to twist, so that I fell on my shoulder and side. Since then, I have always tried to watch parked cars to the right of the bike lane with an eagle eye. But your story reminds us to watch out on the left as well. BTW, a close friend of mine lives on Spruce Street. And BTW—I went to your blog because of your talk on the lambda calculus and the Entscheidungsproblem, which I found enlightening and delightful (though I do not understand the Gödel encoding you use :-( ).

#1 Amittai Aviram am 2016-10-23

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