Joachim Breitner

Ein Krankenhausbesuch in den USA

Published 2016-09-07 in sections Deutsch, Philadelphia.

Seit gestern morgen habe ich einen ziemlich rauen Hals und hab mich auch sonst nicht gesund gefühlt (fiebrig, Kopfweh). Heute erfahre ich von einem Kollegen, mit dem ich am Samstag gemeinsam unterwegs ist, dass er auch krank ist und „Strep“ hat, eine bakterielle Entzündung des Rachens. Da das ansteckend ist und behandelt schneller weg geht empfiehlt er mir (per Mail), einen Schnelltest zu machen.

Ich nehme das als Anlass, meine ersten Erfahrungen mit dem US-Gesundheitssystem zu machen. Über meine Anstellung an der Uni habe ich eine Krankenversicherung, die aber nur für bestimmte Ärzte und Kliniken in vollem Umfang bezahlt. Auf deren Homepage kann ich für mein Anliegen (Untersuchung mit Strep-Schnelltest) mir sagen lassen, wie viele ich dabei wohl zuschießen muss (20$) und wo ich entsprechende Ärzte finde. Die nächste Klinik, das „Presbyterian Medical Center“ ist direkt auf dem Campus und gehört zur Universität.

Ich mache mich also auf den Weg und gehe dort zur Information am Haupteingang. Der Wachmann dort lässt mich wissen, dass ich zum „Emergency Walk-In“, also der Notaufnahme, gehen muss (auch wenn das nicht gerade meinem Verständnis eines „Notfalls“ entspricht), und ein kräftiger Sicherheitsmann führt mich durch das Gebäude, zu einem Neben-Ausgang, und weißt mir da den Weg zum „Emergency Walk-In“.

Hier muss ich erst durch eine Sicherheitskontrolle mit Röntgengerät. Dann ein Empfang, wo ich ein paar Daten (Name, Social-Security-Nummer, Geburtsdatum sowie Anliegen) abgebe, und im Gegenzug ein Papierband mit Barcode für mein Handgelenk erhalte. Damit setze ich mich in den Wartebereich und warte (ein Glück dass ich eine e-Book-Lese-Programm auf mein Handy geladen habe.)

Mir fällt auf dass hier im Wartesaal außer mir nur Schwarze warten, und die meisten sehen nicht aus als ob sie gerade von einem Akademiker-Job kommen. Habe ich etwas falsch gemacht (oder zumindest anders als meine Kollegen machen würde)? Hätte ich vielleicht statt dessen einen Termin mit einem Arzt ausmachen sollen? Oder in die Sprechstunde eines HNO-Arzt gehen?

Nach 1½ Stunden werde ich von einer freundlichen Krankenschwester ausgerufen und in ein Untersuchungszimmer geführt. Sie fragt nach meinen Symptome, Medikamenten, Allergien und misst Blutdruck, Puls, Temperatur. Dann meint sie ich wäre gerade zur richtigen Zeit da und werde jetzt „fasttracked“, was wohl heißen soll, dass ich jetzt schnell behandelt werde. Sie führt mich in ein anderes Untersuchungszimmer („Super Track 3“) und lässt mich auf die Ärztin warten.

Nach einer halben Stunde kommt nicht die Ärztin, sondern eine Mitarbeiterin, die mehr Daten von mir will (Adresse, Versicherungskarte, Notfallkontakt). Während ich ihr das noch alles buchstabiere, kommt dann die Ärztin. Auch sympathisch, fragt die Symptome ab, schaut mir in die Ohren und den Rachen, hört meine Lunge ab und holt dann den Schnelltest, für den sie einen Rachenabstrich macht. Sie meint, das braucht 20 Minuten, und lässt mich im Untersuchungszimmer warten.

Hier warte ich also, lese weiter, und hole irgendwann meinen Laptop raus um diesen Text zu schreiben. Zwischendurch kam eine Mitarbeiterin und legte Aufkleber auf den Tisch. Dann kam eine Schwester und holte die Aufkleber, um damit den Test zu bekleben, und meinte das dauert nochmal eine Stunden. Dann wieder die Mitarbeiterin, die mir verkündet, dass mein Beitrag nicht 20 sondern 75 Dollar sind. Ich gebe ihr meine Bankkarte, sie geht und kommt zum Unterschreiben wieder. Ich warte weiter. Dann kommt sie nochmal und will meine Telefonnummer.

Mein Hals tut weiter weh, aber so langsam krieg ich Hunger.

Eine Stunde später kehrt die Ärztin wieder und verkündet mir ein negatives Testergebnis. Weil der Schnelltest aber nicht 100% sicher ist macht sie noch einen Abstrich für einen Labortest, dessen Ergebnisse ich in zwei Tagen bekommen kann. Sie vermutet einen Virus und will mir entsprechendes verschreiben. Ich bleibe weiter in dem Untersuchungszimmer sitzen und warte auf „the paperwork“ (den Papierkram).

Ein paar Minuten später kam der auch. Eine Schwester ging mit mir nochmal die Diagnose durch, erklärte mir die Verschreibung (Ibuprofen gegen Schmerzen bei Bedarf) und legte mir Salzwasserspülungen nah. Sie nahm sich tatsächlich Zeit und gab mir die Möglichkeit, Fragen zu stellen – an der Stelle scheint das US-System einen Vorteil gegenüber dem Deutschen zu haben, dass sich diese Zeit nimmt.

Auf meine Frage nach der Zusammensetzung der Wartenden und ob ich das „Übliche“ gemacht habe meinte sie, dass das schon richtig so ein, dass das Krankenhaus eben auch das umliegende Viertel versorgt, das wohl vorwiegend von Schwarzen bewohnt wird. Allerdings hätte ich auch, wenn ich einen Hausarzt hätte, zu dem ich bei so leichten Beschwerden gehen kann. Mit insgesamt 3½ Stunden kam ich wohl sogar schnell durch, und es können auch 6 oder 8 werden. Direkt bei einem eigenen Arzt geht das dann effizienter.

Fazit: Meine generelle Annahme, dass zum Arzt gehen meist nicht lohnt, hat sich wieder einmal bestätigt, und hier kommen noch signifiakten Kosten dazu. Die nächste Erkältung kuriere ich also eher selber aus. Aber wenn was wirklich ernsthaftes ist, weiß ich zumindest mal wo der Eingang zur Notaufnahme ist.

Update: Ich habe meine Krankenversicherung gefragt warum es so viel teurer geworden ist, und habe erfahren, dass es – neben der Notaufnahme und Besuchen direkt beim Arzt – hier auch das Konzept des Urgent Care Center gibt: Dort kann man ohne Anmeldung mit allen dringenden, aber nicht lebensgefährlichen Beschwerden hin, kommt in der Regel schneller durch (laut Webseite des Centers im Schnitt eine Stunde) und zahlt weniger (30$). Das hätte in meinem Fall deutlich besser gepasst. PS: Wer sich unsicher ist ob eine Schussverletzung nun „dringend“ behandelt werden muss, oder ein „Notfall“ ist, für den gibt es eine Entscheidungshilfe.

Update 2: Der Labortest ist negativ.

Update 3: Gut eine Woche nach der ganzen Aktion flattert mir eine Rechnung vom Krankenhaus über 75 Dollar ins Haus. Seltsam, weil ich hab ja vor Ort bezahlt (und mein Kontoauszug sagt das auch). Beim Kundenservice des Krankenhaus angerufen (das klingt komisch) und denen das geschilert. Die sehen die Zahlung nicht, und ich möge denen doch bitte eine Kopie des Kontoauszugs als Zahlungsbeleg schicken…

Update 4: Die Krankenversicherung verrät mir dass ihr der ganze Spaß 1393 Dollar gekostet hat. Find ich krass.

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