Joachim Breitner

Ein schlüsselloser Moment

Published 2016-07-29 in sections Deutsch, Philadelphia.

Im Moment nenne ich keinen Schlüssel mein eigen. Ein seltener und seltsamer Zustand, der nur eines heißen kann: Ich ziehe gerade um. Gerade bin ich, mit großem Koffer, großem Rucksack, Handgepäckkoffer und Laptoptasche beladen, in einen gut gefüllten ICE gestiegen. Der bringt mich an den Frankfurter Flughafen, und von dort geht es dann non-stop nach Philadelphia, wo ich die nächsten zwei Jahre leben und an der University of Pennsylvania arbeiten werden.

Reisefertig

Es gab mehrere Wünsche nach Berichten. Statt Rundmails zu schicken fülle ich lieber – wie schon während meiner Zeit in Ghana, Indien und Cambridge – meinen Blog wieder mit mehr (nicht-technischem) Leben.

Nun bin ich zwar noch nicht in Philadelphia, aber die ersten Reise-bezogenen Anekdoten kann ich bereits zum Besten geben.

Die Abmeldebestätigung

Wer aus Deutschland wegzieht hat sich behördlich abzumelden, so will es das Gesetz. Also gut, ich gehe Anfang Juli zum Bürgerbüro (das unterbeschäftigte in Hagsfeld, wo man immer sofort drankommt).

Erst verlangt die Mitarbeiterin eine Bescheinigung der Vermieterin, dass ich die Wohnung gekündigt habe. Nun kann ich eine solche nicht vorlegen: Meine Vermieterin wollte mich opportunistischer weise nicht aus dem Mietvertrag entlassen, sondern verlangte, dass meine Mitbewohnerin und ich erst ordnungsgemäß kündigen, bevor sie – eventuell und zu schlechteren Bedingungen – mit ihr einen neuen Vertrag aussetzt. Darauf haben wir uns nicht einlassen wollen, und so bleibe ich weiterhin, zumindest pro-forma, Mieter der Wohnung. Nach ein bisschen gut Zureden akzeptierte die Frau vom Bürgerservice das und verzichtete auf eine Kündigungsbescheinigung.

Dann fiel ihr Blick auf mein Auszugsdatum und sie meinte, dass ich zu früh da wäre: Abmeldungen sind erst eine Woche vor dem Wegzug möglich! Welch unsinnige Regel… und ich hatte wenig Lust, in der letzten, mit Umzugs- und Abschiedsstress gefüllten Woche, nochmal nach Hagsfeld zu radeln.

Ich: „Kann ich den Antrag eigentlich auch per Post schicken?“

Sie: „Ja, das geht auch.“

Ich: „Und was passiert wenn ich das schon heute per Post schicke?“

Sie: „Dann bleibt es bis eine Woche vor Ihrem Wegzug liegen.“

Ich: „Aha. Kann ich dann den Antrag nicht einfach jetzt bei Ihnen lassen?“

Sie: „Öh. Ja. Das geht auch.“

Sie legte den Antrag auf einen der Schreibtisch-Stapel, und schrieb in Ihren Papier-Kalender für den letzten Monat groß „Abmeldung Breitner“. Zufrieden ging ich von dannen, in der Erwartung die Sache geklärt zu haben und am Dienstag die Bescheinigung (die ich für GEZ, Banken, Versicherungen etc. brauche) im Briefkasten vorzufinden.

Am Dienstag war nichts im Briefkasten. Am Mittwoch nicht. Gestern radelte ich also zum Amt. Die Dame erinnerte sich wohl, zog ohne Kommentar meinen Antrag aus dem Stapel, auf den sie ihn vor drei Wochen legte, und meinte, es fehle ja noch die Bescheinigung vom Vermieter…

Erneut erklärte ich meine Situation, wedelte mit Visum und Mietvertrag in Philadelphia. Wenige Minuten später lief ich mit der Abmeldebestätigung in der Hand aus dem Büro. Selber und vor Ort klären ist halt doch das einzig wahre.

Das Paket

Wer denkt, dass ich wohl kaum mit den vier oben genannten Gepäckstücken einen Umzug hinbekomme, hat recht: Ein paar Sachen (Brettspiele, Bücher, Wintersachen) wollte ich per Post vorausschicken. Verunsichert durch Horrorgeschichten über die Behandlung von Postpaketen folgte ich dem Rat einer Freundin, statt Pappkartons stapelbare Kunststoffkisten vom Baumarkt zu nehmen, die nicht nur den Inhalt besser schützen sondern auch dort zum Verstauen geschickt sind.

Nun heißt es auf der Webseite von DHL, dass ein Postpaket eine „formstabile Außenhülle aus Pappe, Wellpapper oder Packpapier hat“. Ist meine Kiste nun ein Postpaket?

Wie heut zu Tage Usus fragte ich per Twitter bei DHL nach. Die Antwort klang gut („ja, können Sie schicken“) mit Einschränkungen („ist Sperrgut, kostet extra“). Auf Nachfrage wurde noch ergänzt dass es in Ordnung wäre, wenn ich das Paket in Packpapier einschlage, was allerdings bei einer Kunststoffkiste mit Profilrillen außen wenig sinnvoll wäre.

Ein kurzer Anruf bei der Hotline ergab Widersprüchliches: Laut der Mitarbeiterin dort wäre auch eine Kunststoffkiste ein normales Paket.

Die Pakete

Also ließ ich es drauf ankommen und wuchtete die zwei Kisten (16 und 25kg) zum Postschalter in der Waldstadt. Mit suggestiver Überzeugung („diese zwei Pakete“) und Small-Talk („Umzug nach USA“) versuchte ich, jegliche Zweifel der Mitarbeiterin im Kern zu ersticken, was vermutlich nicht nötig gewesen wäre, denn die Kisten wurden ohne mit der Wimper zu zucken angenommen.

Spannend bleibt ob und wann die Kisten in den USA ankommen, und was der Zoll damit macht. Zuletzt wurden sie, laut Tracking, vor acht Tagen am Flughafen in Frankfurt gesehen.

Abschiedsmarathon

Die letzte Woche war, nicht überraschend, ein Abschiedsmarathon:

  • Am Sonntag in Herrenberg von meiner Familie und meinen treuen Schulfreunden.
  • Am Montag von meiner Mitbewohnerin und vom Tanzkurs.
  • Am Dienstag von dem Hund meiner Mitbewohnerin (den ich tagsüber sitten sollte) und abends von beim Social Dance von den Swing-Tänzern (denen ich zum Abschied die Live-Band „Insta Swing“ engagierte, die mein Schulfreund Ruben Maisenbacher extra auf die Beine stellte, und die mir im Gegenzug ein nettes „Freunde-Buch“ ausfüllten).
  • Am Mittwoch von meiner Arbeitsgruppe an der Uni, die da geschickterweise den Betriebsausflug hinlegte (Paddeln auf der Kocher, anschließend in den Biergarten, wo ich sogar noch ein auf mich gedichtetes Ständchen hören durfte).
  • Am Donnerstag dann zuletzt sehr entspannt und nett von meinen Karlsruher Freunden bei meinem letzten AbendmahlPicknick im Fasanengarten.

Bilder aus der Woche finden sich (wie dann bald die ersten Bilder aus den USA) in meinem Photoalbum, das Passwort könnt ihr bei mir erfahren.

So gehen zwölf Jahre Karlsruhe zu Ende, und etwas neues beginnt. Ich werde berichten.

Comments

Ich finde es schade, dass Du Karlsruhe definitiv verlässt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg in den USA und alles Gute dort - war vor langer Zeit in einem deiner Tutorien und bin ein treuer Leser deines Blogs seit ~11 Jahren.

Thanks!

#1 Genti Saliu am 2016-07-30

Danke! Freut mich zu hören. Den Blog kannst du ja natürlich weiter lesen :-)

#2 Joachim Breitner am 2016-07-30

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